Renaturierung

Die Große Tulln birgt enormes Potenzial. Eine Allianz aus Grundbesitzer, Anglern, Fischereiverband und Behörden versucht es seit Jahren zu heben. Mit sensationellem Erfolg. Aus den Einnahmen durch Lizenzen werden Renaturierungs-Projekte unterstützt.

Realität an er Tulln. Trapezprofil, wenig Beschattung. Trotzdem reiche Fischfauna.

Seien wir ehrlich. Die Große Tulln ist ein geschundener Fluss. Von Neulengbach stromab fließt sie in einem strengen Trapezprofil. Ja, es gibt Juwele wie die Renaturierungsstrecke im Schaubergerpark – naturnahe Stellen sind aber die Ausnahme. Aufgrund des Hochwasserschutzes wird auch ein Großteil der Stauden und Bäume aus dem Flussquerschnittsprofil entfernt. Somit fehlt die in heißen Sommern wichtige Beschattung. Auch wenn sich Fliegenfischer deswegen selten mit Hängern im Gesträuch herumschlagen müssen – eine kitschige Flusslandschaft sieht anders aus.

Sensationsfang. Sogar Rußnasen sind aus der Donau zugewandert.

Wehre Weg, Fische kommen in Schwärmen – eine kleine Sensation. Die Große Tulln hat aber Potenzial. Enormes Potenzial. Das zeigt alleine die Große Zahl der hier lebenden Fischarten. Derzeit sind es 16, darunter auch seltene Moderlieschen oder Schneider und Koppen, die ganzjährig geschont sind. Und die gute Biomasse, die trotz der Regulierung vorhanden ist. Im Frühjahr 2019 hat die Entfernung zweier Wehre zur massenhaften Zuwanderung von Donaufischen geführt. Ein unerwarteter Erfolg, der aufgrund der aufgestiegenen Schwärme selbst abgebrühtesten Gewässerökologen das Wort „Sensation“ entlockte. Auch wenn die Flussstruktur nicht optimal ist, sind Nasen, Russnasen und Barben zugewandert um hier zu Laichen. Hechte und Barsche haben den neuen Lebensraum ebenfalls erkundet. Und sie sind geblieben. Das zeigt wie wichtig die „Durchgängigkeit“ für die Fischfauna ist. Und genau hier steckt das einzigartige Potenzial der Großen Tulln.

Eine dicke Barbe aus der Donau. Schwärme sind zugewandert und geblieben.

Einziger Fluss ohne Wasserrecht von der Quelle bis zur Donau. Die Große Tulln ist der einzige namhafte Fluss in Niederösterreich, in dem man bei der Renaturierung keineRücksicht auf Wasserrechte nehmen muss. Denn es existiert schlicht keines mehr. Gab es früher im Revier 16 Mühlen, die das Wasser ausleiteten, so sind heute nur noch sieben Wehre vorhanden. Diese müssen bis 2025 rückgebaut werden. Im Fall der Großen Tulln heißt das: Keine Rücksicht auf Restwasserstrecken, keine Umgehungsgerinne, keine unterdotierten Fischtreppen. Einfach weg damit, freie Bahn für die Fische. Somit wird die Große Tulln bereits in wenigen Jahren der einzige Fluss sein, der von der Quelle bis zur Mündung in die Donau für wandernde Fische frei ist.

Gewässernetz mit Pielach, Kamp, Melk und Traisen. Huchen? Vielleicht… Und das in einem der spannendsten Donauabschnitte überhaupt. Denn durch den gerade in Bau befindlichen Umgehungsarm beim Kraftwerk Altenwörth wird die Große Tulln bis 2022 an den Kamp und beide freien Fließstrecken der Donau angebunden sein. Vom Nationalpark Donauauen bis in die Wachau mit ihren Zubringern Melk und Pielach mit ihren Huchen-Beständen. Da auch die Traisenmündung inzwischen renaturiert wurde, entsteht hier ein einzigartiges Gewässernetz für die unterschiedlichsten Arten. Ob das auch dazu führen wird, dass sich der Huchen wieder etabliert wird die Zukunft zeigen.

Das Haager Wehr im Ortszentrum von Neulengbach. Hochwasserschutz hat Priorität.

Hochwasserschutz und Natur – Es wäre so einfach – wenn… Umso wichtiger wäre es, dem Fluss nicht nur die Durchgängigkeit wiederzugeben, sondern auch die Struktur zu verbessern. Soweit muss man sich aber klar sein, dass der Fluss durch eine sensible Kulturlandschaft fließt. Alle Maßnahmen müssen in Einklang mit dem Hochwasserschutz stehen. Aufweitungen wären hier das erste Mittel, um beide Interessen in Einklang zu bringen. Sie bieten dem Fluss mehr Volumen um Hochwässer aufzunehmen und schaffen gleichzeitig den raum für Strukturen wie Kolke und Furten., Totholz, Steil- und Flachufer. Einziges Manko: Sie kosten Geld. Ackerflächen wären genug vorhanden, allerdings müssten sie angekauft werden. Und selbst wenn das Geld vorhanden wäre, so ist es verständlich, dass sich Landwirte ungern von kostbarem Ackerboden trennen, um der Natur wieder Land zurückzugeben.

Entfernung der Wehre oberste Priorität. Darum ist es wichtig realistisch zu bleiben. Oberste Priorität hat daher momentan die Entfernung der letzten Wehre. Derzeit sind die Anlagen in Siegersdorf, bei der Ölmühle in Asperhofen, beim Sportplatz Asperhofen, in Emmersdorf, beim Steghof in Neulengbach, Bei der Scharfbrücke in Neulengbach und beim Sportplatz in Haag vorhanden. Oberhalb und unterhalb sind bereits alle Wehre entfernt.

Flußabschnitt Schauberger-Park. Zum Paddeln suboptimal, für Fische perfekt.

Juwele, kleine Schritte und große Lichtblicke. Trotzdem gibt es auch strukturelle Verbesserungen und Lichtblicke. Natürlich sticht der Schaubergerpark hier hervor. Hier konnte ein ursprüngliches Augerinne hergestellt werden und das ehemalige, regulierte Flussbett zum Hochwassergerinne umgebaut werden. Zusätzlich wurden Steinstrukturen eingebaut, die nach den Erkenntnissen des Wasserbauers Viktor Schauberger geplant wurden. Auch das Problem der mangelnden Beschattung steht vor einer Verbesserung. derzeit arbeitet der Landesfischereiverband mit dem Land Niederösterreich an einem Beschattungskonzept für Flüsse, das mit dem Hochwasserschutz vereinbar ist. Die Große Tulln steht dabei auf der Prioritätenliste des Projektes ganz oben und soll ein Modellfluss für das Projekt werden.

Aber es müssen nicht immer Großprojekte sein. Schon der Einbau einer einzigen Buhne unterhalb der Anzbach-Mündung hat gezeigt, wie kleine Maßnahmen große Wirkungen erzielen. Es ist ein zwei Meter tiefer Kolk und oberhalb eine Schotterbank entstanden. der Kolk dient Fischen als Lebensraum, die Ritzen der grob geschichteten Steinbuhne sind Zufluchtsort. Hier kann der Fischotter, der das reiche Nahrungsangebot in der Tulln seit Jahren schätzt, die flüchtenden Fische nicht verfolgen. Und die Schotterbank oberhalb nutzen Bachforellen regelmäßig zum Ablaichen.

Trichterbuhne nach Schauberger in Plankenberg.

Stauräume weg, neue Strukturen entstehen – aber nicht von allein. 2019 wurde auf Basis dieser positiven Entwicklung ein weiteres Projekt verwirklicht. Oberhalb des rückgebauten Wehres in Plankenberg wurden insgesamt fünf Steinbuhnen verwirklicht. Denn natürlich bedeutet ein Wegfall eines Stauraumes auch eine Veränderung des Lebensraumes. Ganz abgesehen davon schätzen Angler diese Stauräume manchmal, weil sie genug Wasserfläche bieten um hier auch Methoden wie Grundangeln auszuüben. Die fünf Steinbuhnen sollen diesen Wegfall etwas kompensieren.

Ein Projekt, drei Bauweisen. Die drei obersten Doppelbuhnen wurden noch dazu auf drei unterschiedliche Arten errichtet. Die oberste ist als Trichterbuhne nach den Erkenntnissen Viktor Schaubergers geplant. Die mittlere Buhne ist ein grober Blockwurf, ähnlich der oben beschriebenen Buhne bei der Anzbach-Mündung. Hier erhofft man sich Unterstandsmöglichkeiten für Fische, die nach ersten Begehungen bereits sichtbar benutzt werden. Bei der dritten Doppelbuhne wurden die Räume zwischen den Steinen mit Schotter verfüllt, was wiederuum eine stabilere Struktur bieten soll.

Insgesamt wurden fünf Steinbuhnen errichtet. Landesfischerei- und Revierverband förderten die Maßnahme.

Allianz aller Kräfte für den Fluss. Dass das Projekt erfolgreich umgesetzt wurde, war nur aufgrund einer Allianz aus Grundbesitzer, Anglern, Behörden, Planern und dem Landesfischereiverband möglich. Die Kosten der Maßnahmen wurden zu zehn Prozent von Friedrich Brückler getragen, der das Fischwasser seit 20 Jahren bewirtschaftete. Die restlichen 90 Prozent teilten sich die Fördergeber Landesfischereiverband und Revierverband. Die Planer Othmar Grober, Jan Köck und Martin Mühlbauer erstellten die Pläne kostenlos. Die Vorfinanzierung übernahm der Wasserverband unter Karl Gfatter, die Umsetzung leitete die zuständige Wasserbauinstitution des Landes „Wehr 3″ unter Franz Hahn. Ziel der Periode der Bewirtschaftung von 2020 bis 2030 weitere derartige Projekte aus den Einnahmen der Bewirtschaftung anzustoßen. Mit jeder Lizenz wird somit die Renaturierung der Tulln weiter gefördert.