Der Aitel – ein schwerst unterschätzter Fisch

Kann man einen Fisch lieben? Falls ja, der Aitel hätte es sich verdient. Ein Lanzenbruch für das Aschenputtel unter den heimischen Fischen.

Kapitaler Aitel im Drill bei der Anzbachmündung in Neulengbach.

Langsam treibt der Schwimmer am Ufer entlang stromabwärts. Gut 15 Meter vom Angler ist er plötzlich weg. „Eins, zwei“ – Anschlag bei „drei“. Und dann biegt sich die Rute. Angeln wie damals, als ein Kork, eine Schnur ein Haken und ein altes Stück Brot genügten.

Beste Größe für einen Speise-Aitel: Knapp unter 50 Zentimeter.

Mit Brotkugeln auf der Suche nach der Kindheit. In 90 Prozent der Fälle beißt auf diese Brotkugel ein Aitel (Döbel). Dieser Weißfisch ist häufig und viele Angler verschmähen ihn. „Zu viele Gräten“, ist die meistgebrauchte Begründung. Sein häufiges Vorkommen, die Arbeitsitensität beim Zurichten und schlicht mangelndes Wissen führen zu dieser Geringschätzung. Völlig zu unrecht. Denn nicht nur die ursprüngliche Methode beim Angeln macht den Aitel zu einem lohnenden Zielfisch. Sein weißes Fleisch (daher „Weißfisch“) ist eine Delikatesse – Wenn man weiß wie er zubereitet wird.

Aitel machen Arbeit. Die geschuppten Fische müssen noch filetiert und geschröpft werden.

Selbst Gattinnen und Töchter lieben die Filets. Ja, freilich. Der Aitel macht Arbeit. Er muss geschuppt und filetiert werden. Danach muss man die Filets schröpfen, das heißt etwa alle zwei Millimeter von der Fleischseite einschneiden. Mit etwas Übung ist die Prozedur aber in knapp zehn Minuten erledigt. Und wer sich die Mühe antut, wird mit den feinsten Fischfilets belohnt, die heimische Gewässer zu bieten haben. Natur, paniert oder im Backteig. Dickes, schneeweißes Fleisch, saftig, zart. Von den Gräten ist nichts zu spüren. Selbst Gattinnen und Töchter verspeisen die Filets mit Hingabe. Versprochen.

Natur, paniert oder in Backteig. Wer die Mühe nicht scheut, wird mit weißen Filets belohnt.

Der Aitel – der Inbegriff des Fisches schlechthin. Für mich war der Aitel schon immer ein besonderer Fisch. Während wir als Kinder beim „Fischgreifen“ Forellen quasi nach Belieben aushoben, war es etwas Besonderes, wenn man einen Aitel mit bloßen Händen erwischte. Es sind kräftige Tiere, scheu und klug. Und schön. Mit ihrer klassischen Form, den Schuppen und der markanten Netzzeichnung sind sie der Inbegriff eines Fisches. Bittet man einen x-beliebigen Menschen „Zeichne einen Fisch“, kommt meist ein Aitel dabei heraus.

Kräftige Tiere. Schlau und scheu. Wer glaubt, das Aitelangeln ist leicht, der irrt. Wenn die Fische einen Angler am Ufer einmal erspäht haben, dann kann man diese Stelle bereits abhaken. Es ist Schleichen angesagt, Deckung hinter Büschen. Kunstvolle Würfe aus dem Handgelenk zwischen Zweigen und Brennesseln. Natürlich beißen Aitel manchmal auch auf den Forellenspinner oder die Fliege. Aber am schönsten ist die Angelei mit der Treibpose. In Deutschland gibt es Gegenden, in denen sich die Angler auf die Fischerei von „Döbeln“ spezialisiert haben und ihre Angelgänge stolz in Videos festhalten.

Gespleißte Rute mit historischer „Centrepin“ in Aktion nach gelücktem „Trotting“

Very british – Nobles „Trotting“ mit der Centrepin auf den „Chub“. „Während in unseren Breiten die Stationärrolle benutzt wird, lieben es die Briten klassisch. Sie drillen ihren „Chub“ mit der „Centrepin“. Dabei handelt es sich um eine extrem leichtgängige Rolle ohne Bremse. Sie ähnelt einer „Drachenschnur-Rolle“ gibt selbst bei geringer Strömung oder kleinsten Posen die Schnur praktisch ohne Widerstand frei. Der Köder kann so ungestört abtreiben. Und ein Drill mit der ungebremsten Centrepin ist ohnehin das direkteste Erlebnis, das es beim Angeln gibt. „Trotting“ nennt der geneigte Aitel-Brite diese Methode, die gerne auch mit historischen Angeln ausgeübt wird.

Döbel sind häufig. Weil sie so genügsam sind. Sie sind nicht wählerisch bei der Nahrung, vertilgen Obst und Algen genau so wie kleinere Artgenossen. Sie halten selbst miese Bedingungen hervorragend aus und sind relativ unempfindlich auf warmes Wasser. Auch ein Vorteil in Zeiten wie diesen, in denen aufgrund wärmerer Witterungund und fehlender Beschattung die Wassertemperatur in vielen Gegenden für Salmoniden bereits ungünstig ist.

Erfolgreicher Fang mit historischem Gerät – ein besonderes Erlebnis.

No need for Tweed. Feiner Zwirn am Wasser kann sein – muss aber nicht. Wer sich ein Stück Kindheit zurückholen will, der kann seinen Stoppel durch die Große Tulln treiben lassen. Hier gibt es Unmengen, oft kapitale Aitel. Fische mit 50 Zentimetern und mehr. Am besten sind die Exemplare um 45 Zentimeter Größe. Ja, natürlich gibt es hier auch die Wienerwald-Bachforellen. Es gibt Barben mit mehr als 70 Zentimetern, die einen unvergesslichen Drill bieten. Es gibt heikle Nasen, die nahezu jeden Köder verschmähen der angeboten wird und so Truppen von Anglern in den Wahnsinn treiben. Und es gibt Barsch und Hecht. Klingende Namen. Und natürlich ist es wunderbar sich um 180 Euro eine Tageskarte an der Ybbs zu leisten und Äschen mit der Fliege nachzustellen. Trotzdem ist für mich das schönste Vergnügen und der höchste Genuss, einen Aitel an der Großen Tulln am Haken zu haben. Und selbst die hartgesottensten Edel-Angler haben das nach einem Tag am Wasser auch so empfunden. Man kann Aitel ja auch im Tweedsakko und mit Schieberkappe angeln…