Es sind Szenen, wie man sie sonst nur aus Dokus über die Lachswanderung in Kanada kennt: Dutzende große Fische schwimmen dicht an dicht, schaufeln mit ihren Schwanzflossen kleine Kiesbänke um und rollen ihre Bäuche mit den feuerroten Brustflossen immer wieder aus dem Wasser. Um dieses Naturschauspiel zu beobachten braucht man keinen Transatlantikflug zu buchen. Am 26. März spielten sich diese beeindruckenden Szenen in der Großen Tulln bei Plankenberg ab.
Schwarm seltener Nasen in unbekannte Gewässer vorgedrungen
Die großen Fische mit den roten Flossen, die aus der Donau 15 Kilometer weit flussauf gezogen sind, waren allerdings keine Lachse. Besser noch, es waren extrem seltene Nasen. Diese Fische waren an der großen Tulln seit Jahrzehnten ausgestorben. Große Querbauwerke wie das Wehr der aufgelassenen Stögermühle in Abstetten oder jenes der Sägemühle in Plankenberg verhinderten, dass die Tiere ihre natürlichen Laichgründe erreichen. Heuer konnten sie erstmals wieder in ihre natürlichen „Kinderzimmer“ zurückkehren. Im Jänner wurde das Wehr in Abstetten entfernt, im März wurde der Fischaufstieg in Plankenberg um insgesamt 560.000 Euro fertiggestellt.
Selbst Experten überrascht: Baumaßnahmen ein voller Erfolg
Dass es so schnell geht und die Nasen in derart großer Zahl gleich Ende März zurückkehren, überrascht selbst Experten. Wissenschaftler sehen die wertvolle Rolle der großen Tulln als Laichgewässer für Donaufische bestätigt.
Gewässerökologe Jan Köck, Planer des Fischaufstieges in Plankenberg: „Manchmal geht es ganz schnell, dass Investitionen Früchte tragen. Nach der Beseitigung der Wehr in Abstetten und dem Umbau der Wehr in Plankenberg können Fische wieder von der Donau in die Große Tulln bis nach Asperhofen einwandern und tun das auch! Damit ist ein wichtiger erster Schritt zu einem funktionierenden Ökosystem geglückt, von dem letztlich alle profitieren. Es ist sehr zu hoffen, dass diese Erfolge dazu beitragen, dass bald weitere Maßnahmen umgesetzt werden können.“
Große Tulln: Einzigartiges Potenzial zum Naturjuwel
Wie wichtig die große Tulln für das Ökosystem Donau ist, zeigt ein Detail: Fast an allen anderen Zubringerflüssen bestehen noch Wanderhindernisse, weil deren Wasser zur Energiegewinnung genutzt wird. Die unbeständigen Wassermengen an der Großen Tulln machen eine wirtschaftliche Nutzung nicht lukrativ, somit ist der Fluss weit und breit der einzige, der für Laichfische ungehindert passierbar wäre. Theoretisch. Denn noch blockieren alte ungenutzte Wehre in Siegersdorf, bei der Ölmühle und beim Sportplatz in Asperhofen, in Emmersdorf, bei der Scharfbrücke und beim Sportplatz in Neulengbach den weiteren Aufstieg.
Letzte Wanderhindernisse müssen bis 2022 entfernt werden
In den kommenden Jahren sollen diese Anlagen ebenfalls passierbar gemacht werden. Bis 2022 schreibt die EU-Wasserrahmenrichtlinien den Rückbau vor. Schon bald könnte also die Große Tulln von der Mündung bis zum Ursprung in Laaben für Fische frei passierbar sein. Damit ist es allerdings noch nicht getan. Denn nur wenn die Fische dann auch einen geeigneten Lebensraum im sehr stark regulierten Flussbett vorfinden, machen die Rückbauten erst Sinn. Mit ökologischen Verbesserungen für die Fließsstrecken und bereits verwirklichten Projekten wie dem Schauberger-Park in Neulengbach könnte so ein Naturjuwel von besonderer Bedeutung direkt vor unserer Haustüre entstehen.
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