Wenn die Vögel am Morgen die kalten Nächte wegbrüllen wollen, die ersten Bienen sich in Krokuspollen baden, die Knospen der Marillenblüten platzen und die Wirte wieder Bärlauchnudeln auf der Karte haben – dann ist es Zeit. Zeit die Polaroid-Brille zu suchen und so oft wie möglich einen Sprung an den Ufern der Grossen Tulln vorbeizuschauen. Denn jeden Moment kann es losgehen – die Nasen könnten mit ihrem Liebesspiel beginnen.
Ohne Übertreibung handelt es sich dabei um eines der beeindruckendsten Naturschauspiele, die man in diesen Breiten beobachten kann. Hunderte der seltenen Donaufische versammeln sich auf Kiesfurten, die Männchen besetzen die besten Plätze und verteidigen diese gegen Rivalen. Ab und zu lässt sich ein dickes Weibchen in die Furt treiben und dann geht es rund. Das Wasser scheint zu kochen, es spritzt und plätschert. Ab und zu drängt es einen Fischkörper aus dem Wasser. Dan beruhigt sich die Szene für einige Augenblicke bis alles wieder von vorne losgeht.
Leider findet dieses Schauspiel heute nur noch an wenigen Plätzen statt. Die intensive Nutzung der Wasserkraft behindert mit Dämmen und geringen Restwassermengen in Fischaufstiegen die Fischschwärme. Sie können die Kiesbänke im Oberlauf der Flüsse nicht mehr erreichen. Und darum waren laichwandernde Fische wie die Donaunase auch immer seltener. Die Grosse Tulln ist einer der letzten Möglichkeiten für die Tiere, ihre Laichgründe zu erreichen. Denn hier ist auch das letzte Wasserrecht seit einigen Jahren erloschen, Wehre wurden rückgebaut und die Fischschwärme können ihre Laichgründe wieder erreichen.
Und diese Möglichkeit wird dankend angenommen. Zuverlässig kommen jedes Jahr tausende Fische in die Grosse Tulln um zu laichen. den Beginn machen immer die Nasen, mit Abstand folgen dann die Russnasen und zuletzt die Barben. Wenn die Donau zwischen sieben und acht Grad Wassertemperatur erreicht ziehen die Fische in die Zubringer. Bei ziemlich genau 12 Grad Wassertemperatur kann die Nasen nichts mehr bremsen. Sie beginnen mit der Paarung. Rund zwei Tage und Nächte dauert das Schauspiel, dann ist alles so schnell vorbei wie es angefangen hat.
Besonders gut beobachten kann man die Nasen in diesem kurzen Zeitfenster in Plankenberg von der Brücke beim Holzwerk Harold aus. Unterhalb des Fischaufstieges haben sich schnell überströmte Kiesbänke gebildet, die von den Fischen jedes Jahr zum Laichen aufgesucht werden. Vom erhöhten Beobachtungsposten auf der Brücke hat man alles perfekt im Überblick und man stört die Tiere nicht bei ihrem Liebesspiel.
Das Naturschauspiel zeigt, wie wichtig freie Durchgängigkeit für laichwandernde Fische ist. Und wie große Schäden auch kleine Kraftwerke anrichten können. Durch die Debatte über den Klimawandel wurden die Begehrlichkeiten für neue Flusskraftwerke groß. Eine einfache Kosten/Nutzen-Rechnung zeigt das Debakel: In der Pielach, einem der an sich potentesten Zubringer der Donau, ist die Laichwanderung der Fische durch Kraftwerke stark eingeschränkt. Fischaufstiege werden aufgrund der geringen Restwassermenge kaum gefunden. Die Biomasse an Fischen an der Pielach ist teilweise erschreckend gering.
Wenn man weiß, dass alle Wasserkraftwerke an der Pielach gemeinsam gerade einmal so viel Strom erzeugen, wie ein halbes, modernes Windrad, dann muss man sich die berechtigte Frage stellen, ob die Beeinträchtigung eines derart wichtigen Lebensraumes im Verhältnis zum vergleichsweise geringen Nutzen für die versorgungssicherheit mit Strom gerechtfertigt ist.
Zurück an die Große Tulln: Hier gibt es weit weniger Renaturierungsmaßnahmen und naturnahe Abschnitte wie an der Pielach. Mit wenig Aufwand hat die Fischerei hier einige Strukturverbesserungen mitfinanziert, die enorme Wirkung haben. An den Kiesfurten, die bei mehreren errichteten Buhne entstanden sind, war auch heuer wieder rege Laichtätigkeit. Die Maßnahmen wirken also. Auch heuer wird wieder ein neuer Fischaufstieg errichtet. Beim Neubau der Steghofbrücke wurde die Maßnahme mitgeplant.
Der weitaus wichtigere Fischaufstieg in Asperhofen verzögert sich aber noch. derzeit stehen die Fischschwärme aus der Donau beim alten Wehr in Asperhofen an und kommen nicht weiter. Wenn hier ein Fischaufstieg errichtet wird, dann wäre ein gewaltiger Sprung nach vorne möglich. Denn mehrere Kilometer Fluss bis Emmersdorf wären dann mit einem Schlag erreichbar. Eigentlich wäre die Umsetzung längst eingeplant. Aber der Denkmalschutz hat Einspruch gegen den Bau des Fischaufstieges erhoben. derzeit laufen Verhandlungen zwischen den Behörden, um dieses Wanderhindernis trotzdem zu beseitigen.